Diktatur zum Selbermachen

Eine Anleitung in 10 Schritten, um einen autoritäten Staat aufzubauen — zum Beispiel eine Gesundheitsdiktatur.

Von Felix Feistel

Kennen Sie das Gefühl? Sie sind Herrscher eines Staates und haben große Pläne, eine Ideologie, die Sie gerne verbreiten würden — aber leider steht eine ignorante Masse von Menschen Ihnen dabei im Weg. Sie wollen etwas Bedeutendes zu Ihrem alleinigen Vorteil durchsetzen, aber Sie ahnen bereits, dass die Mehrheit der Ihnen untergebenen Menschen Ihre Vorstellungen nicht teilt?

Es droht eine schwere wirtschaftliche Krise, und Sie wollen das Wirtschaftssystem in aller Seelenruhe neu starten — vielleicht verbunden mit einer ertragreichen Umverteilung zu Ihren Gunsten, aber Sie haben Angst, dieser Schritt werde zu Unruhen in der Bevölkerung führen? Ihnen schwebt schon lange ein großer Krieg vor, aber die Mehrheit der Bevölkerung ist wenig begeistert von der Vorstellung der damit verbundenen Entbehrungen? Immer wieder stehen einem das Volk oder eine lästige Angelegenheit wie die Demokratie im Wege. Da haben wir eine brauchbare Lösung für Sie: Diktatur. Wie Sie die umsetzen, erfahren Sie hier in dieser kinderleichten Schritt-für-Schritt-Anleitung.

„Diktatur, schön und gut“, denken Sie sich. Aber: Wie mache ich so etwas? Vor diesem Problem standen schon viele Menschen vor Ihnen. Einigen ist es gelungen, andere sind gescheitert. Wir haben für Sie zusammengestellt, welche Mittel sich bewährt haben. Lernen Sie nicht von irgendwem, lernen Sie von den Besten! Sie haben gezeigt, was erforderlich ist, um jeden Widerstand gegen die eigene Machtergreifung und -ausweitung zu unterbinden. Es bedarf einzig eines großen Zieles, auf das sich alle einigen können und hinter dessen Erreichung Sie die Bevölkerung vereinen. Klingt einfach, ist jedoch schwierig umzusetzen in einer Gesellschaft, die von gegenläufigen Interessen durchzogen ist.

Daher erklären wir Ihnen im Folgenden, wie Sie diese Einigkeit erzeugen und Ihre persönliche Diktatur in wenigen, kinderleichten Schritten umsetzen. Alles, was Sie benötigen, sind ein effektiver Medienapparat und einige treue Handlanger, die eine ideologische Nähe zu Ihnen haben, aber unabhängig erscheinen. Fehlt die ideologische Nähe? Keine Sorge, monetäre Abhängigkeit hat sich als ebenso effektiv erwiesen. Fangen wir also an.

Schritt 1: Schüren Sie Ängste

Jeder Mensch hat Ängste. Meist sind diese Ängste in der Bevölkerung latent vorhanden. Um diese Emotionsebene anzusprechen, erfinden Sie eine Bedrohung. Das kann irgendeine beliebige Bedrohung sein. Sie muss nicht einmal realistisch sein. Sie können eine bolschewistische Weltverschwörung ebenso kreieren wie eine weltweite und absolut todbringende Pandemie. Wichtig ist, dass Sie mit dieser Bedrohung an die gesellschaftlich vorhandenen Ängste anknüpfen.

Die Angst vor dem Tod hat sich dabei bewährt. Steuern Sie diese gezielt an, indem Sie eine Gefahr erfinden oder eine Marginalität zu einem gigantischen Problem aufblasen.

Dabei hilft Ihnen Ihr Medienapparat. Verbreiten Sie die Nachricht von der Bedrohung, am besten über alle Kanäle, über die Sie verfügen. Ideal ist es, wenn all diese Kanäle als voneinander unabhängig angesehen werden, wenngleich sie alle aus derselben Quelle schöpfen. Bedienen Sie sich also verschiedener Medien, die in unterschiedliche politische Richtungen eingeordnet werden. So erreichen Sie auch garantiert jeden Menschen in der Bevölkerung. Senden Sie in Dauerschleife Berichte über die von Ihnen gewählte Bedrohung. Betonen Sie den Ernst der gegenwärtigen Situation. Die Bedrohung muss überall lauern können. Seien es die kommunistischen Nachbarn oder ein todbringendes Virus, das in jedem Atemzug, in jeder Berührung stecken kann. Hier kommen auch die mit Ihnen verbundenen Handlanger ins Spiel. Idealerweise gibt es unter ihnen auch einige Wissenschaftler, die in vermeintlicher Objektivität die Bedrohung als solche in besorgtem Ernst immer wieder zur Sprache bringen.

Auf diese Weise schüren Sie Ängste in der Bevölkerung. Angst lähmt und kreiert ein Bedürfnis nach Sicherheit und Normalität. Herzlichen Glückwunsch, schon haben Sie Ihr großes gemeinsames Ziel: die Beseitigung der Bedrohung.

Schritt 2: Das Erweckungsereignis

Leider ist es oft so, dass die Bevölkerung nur sehr träge auf die geschaffene Bedrohung reagiert. Menschen sind Gewohnheitstiere und lassen ihren Alltag ungern von Bedrohungen beeinflussen. So hat die Kenntnis über den Klimawandel nur eine Minderheit wirklich dazu veranlasst, über ihr Konsumverhalten und die Destruktivität des herrschenden Kapitalismus nachzudenken. Eine abstrakte Gefahr anzuerkennen genügt also noch nicht, denn davon lassen sich nur die Ängstlichsten oder Engagiertesten beeindrucken.

Was Sie brauchen, ist ein großes Ereignis, das die Gefahr ganz plötzlich in das Bewusstsein der Massen hämmert. Es muss etwas Spektakuläres sein, zum Beispiel der Brand eines wichtigen oder großen Gebäudes, das jeder kennt, z.B. die Zwillingstürme („9/11“).

Doch muss das Ereignis nicht zwangsläufig real sein. Ebenso gut ist es, wenn Sie nur behaupten, das Ereignis fände statt. Rechnen Sie zum Beispiel die Zahl der Infizierten und Gestorbenen einer pandemischen Krankheit medial hoch. Ob diese Zahlen die Wirklichkeit widerspiegeln, tut dabei nichts zur Sache. Medien erschaffen Realität. Bedienen Sie sich dabei affirmativer Bilder und Schlagzeilen. Sprechen Sie die Emotionen der Menschen an. Auch hier bewährt sich ein gut eingespielter Medienapparat.

Zudem bietet es sich an, einen Sündenbock zu präsentieren. Es ist immer gut, die Schuld an dem Ereignis einer Randgruppe oder verhassten Nationalität in die Schuhe schieben zu können. Nehmen Sie als Sündenbock zum Beispiel die Kommunisten, die Chinesen oder eine beliebige ethnische Minderheit Ihres Landes. Auch politische Querulanten eignen sich als Hassobjekte, insbesondere, wenn sie Ihre Auflagen missachten. Geben Sie sich dabei empört und schüren Sie auch die Empörung in der Bevölkerung. Gemeinsam erlebte Emotionen schaffen ein Gefühl von Einheit, ein Aspekt, der noch wichtig wird.

Schritt 3: Seien Sie der Retter

Sie haben eine Bedrohung erschaffen und durch effektive Medienarbeit Ängste in der Bevölkerung geschürt? Sie haben diese Ängste mittels eines kollektiven Erweckungserlebnisses in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt? Sehr gut, dann ist es jetzt an Ihnen, diese Bedrohung zu beseitigen. Dies ist der älteste Budenzauber in der Trickkiste des Marketing: Bedürfnisse schaffen und sogleich die Lösung dafür präsentieren. Sie wissen nicht, wie Sie eine Bedrohung beseitigen sollen, die gar nicht existiert? Keine Sorge, das müssen Sie auch nicht. Sie müssen lediglich vorgeben, die Antwort für diese Bedrohung zu haben.

Fangen Sie aber klein an. Präsentieren Sie zunächst einfache Empfehlungen. Ermahnen Sie die Bevölkerung zu Einheit und Folgsamkeit. Dies ist zugleich ein erster Test des Gehorsams Ihrer Untertanen. Befolgen sie die von Ihnen ausgegebenen Empfehlungen? In diesem Stadium ist es wahrscheinlich, dass nur ein Teil der Masse sich so verhält, wie Sie es sich wünschen. Doch das ist kein Nachteil, sondern vielmehr ein Vorteil. Denn so haben Sie die Möglichkeit, den wichtigsten Schritt auf Ihrem persönlichen Weg zur Diktatur umzusetzen.

Schritt 4: Der Ausnahmezustand

Natürlich ist ein Ausnahmezustand für Sie nur die Ultima Ratio. Eigentlich hätte er nicht eintreten müssen, doch aufgrund der ungehorsamen Bevölkerungsgruppen oder der Widerspenstigkeit des Feindes hat sich die Bedrohungslage doch verschärft! Daher müssen Sie nun als „letztmögliches“ Mittel zur Beseitigung der Bedrohung einen Ausnahmezustand verhängen.

Damit verbunden ist ein Übergang von reinen Empfehlungen zu strikten Verboten, Anordnungen und Befehlen. Bewehren Sie Verstöße auch mit Strafen. Zunächst genügen Geldstrafen. Sie dienen dazu, die Menschen zu disziplinieren. Denn diese Strafen treffen die Menschen an ihrer empfindlichsten Stelle: dem Geldbeutel. Sollte sich das allerdings als unzureichend erweisen, schrecken Sie auch vor Gefängnisstrafen nicht zurück.

Beseitigen Sie alles, was einmal „Normalität“ gewesen ist, und schaffen Sie eine neue Normalität nach Ihrem Geschmack.

Paramilitärische Truppen, die durch die Straßen patrouillieren, um Ihre Ideologie umzusetzen und zu verteidigen? Aber gern! Soziale Isolation zur besseren Kontrolle und Beherrschung Ihrer Untergebenen? Aber sicher! Denken Sie auch rechtzeitig daran, Mittel zur besseren Überwachung Ihrer Untertanen einzuführen. Diese können Sie als Maßnahmen für die Sicherheit der Bevölkerung verkaufen. Oder auch als Maßnahmen zur „Erhöhung des Lebensstandards“: Weiten Sie Telekommunikation und Internet aus, denn andernfalls könnten Sie die riesigen Datenmengen, die aus der Überwachung Ihrer Bürger resultieren, nur schwerlich an die zuständigen Ordnungsbehörden weiterleiten. Versichern Sie überhaupt bei jeder Gelegenheit, dass es Ihnen nur um die Sicherheit und die Ordnung geht. Die Menschen lieben das.

Betonen Sie so oft es geht, dass all dies nur vorübergehende Maßnahmen sein werden. Verlängern Sie den Ausnahmezustand jedoch in regelmäßigen Abständen unter Verweis auf die immer noch bestehende Bedrohung. Ob sie existiert oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Im späteren Stadium ist es nicht einmal mehr notwendig, für die Existenz der Bedrohung stichhaltige Argumente zu liefern. Die Angst wird sich dann bereits so sehr in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben, dass sie auf jeden Hinweis auf die Bedrohung nach Ihrem Willen reagieren.

Werden Sie auch nicht müde zu betonen, wie wichtig die Demokratie in diesen harten Zeiten ist und dass die Bedrohung zugleich eine Belastungsprobe für die demokratischen Institutionen ist. Ob diese von Ihnen gelobte Demokratie jemals bestanden hat, tut dabei überhaupt nichts zur Sache. Geben Sie Durchhalteparolen aus, die medial überall verbreitet werden. „Gemeinsam schaffen wir das“ bietet sich ebenso an wie „Für das Vaterland“ oder „Für den Endsieg“. Die Parolen hängen ganz von Ihrem Ziel und der gewählten Bedrohung ab.

Nutzen Sie den Ausnahmezustand für einige Gesetzesänderungen, die Ihnen umfangreiche Rechte einräumen. Auf diese Weise können Sie Ihren Willen auch gegen etwaige Grundrechte durchsetzen und tief in das Privatleben der Menschen eingreifen. Gießen Sie zudem den Ausnahmezustand in Gesetzesform. Seien es Notverordnungen oder Infektionsschutzmaßnahmen: Jedes Gesetz, das nach Belieben aktiviert werden kann, bietet eine taugliche Grundlage, um den Ausnahmezustand potenziell bis in die Ewigkeit zu verlängern oder bei Bedarf erneut zu erklären. Beschneiden Sie auch die Rechte Ihrer Bevölkerung. Die meisten Menschen sind von der Angst zu betäubt, um überhaupt zu verstehen, was vor sich geht. Sie werden Ihre Maßnahmen noch als Antwort auf die Bedrohung interpretieren, als eine schützende Ausnahme.

Schaffen Sie zudem einen umfassenden Verwaltungsapparat, der dafür sorgt, dass Ihre Anordnungen und Gesetze umgesetzt werden. Die ausführenden Beamten müssen dabei nicht zwangsläufig Ihre Ideologie teilen. Im Gegenteil, es hat sich bewährt, wenn Sie sich dazu solcher Menschen bedienen, die überhaupt keine eigenen Ansichten haben, sondern sich der jeweils herrschenden Ideologie widerstandslos anpassen. Erforderlich ist dafür einzig der unbedingte Wille, sich im bestehenden System zu bewähren.

Ihr Ziel ist eine Umverteilung staatlicher Gelder in private Hände

Hier bietet es sich nun an, die ersten Schritte in Richtung Ihres tatsächlichen Ziels umzusetzen. Ihr Ziel ist eine Umverteilung staatlicher Gelder in private Hände, und Sie haben als Bedrohungsszenario eine Pandemie gewählt? Sehr gut, dann können Sie nun die Erforschung eines Impfstoffs den privat geführten Pharmafirmen übertragen und mit staatlichen Geldern bezuschussen. Sie haben eine bolschewistische Weltverschwörung als Bedrohung gewählt? Auch gut, denn die Waffenindustrie wird sich über Ihre Zuwendungen und Aufträge freuen.

Auch wenn Ihre Maßnahmen mit Demokratie nichts mehr zu tun haben, so wird allgemein akzeptiert werden, dass in so einer Ausnahmesituation die Demokratie nun einmal etwas zurückstehen muss. Doch es wird sich Widerstand regen. Fahren Sie also fort mit dem nächsten Schritt.

Schritt 5: Kreieren Sie eine In-Group

Widerstand ist jedem ordentlichen Diktator verhasst. Argumente und Ansichten, die den eigenen Zielen widersprechen und sich eventuell in der Bevölkerung verbreiten, gefährden jede autoritäre Herrschaft. Seien Sie daher vorbereitet. Am besten haben Sie schon in Schritt 2 damit begonnen, eine In-Group zu erschaffen. Wenn nicht, dann wird es jetzt allerhöchste Zeit.

Was ist eine In-Group? Auch hier hilft Ihnen eine der Urängste der Menschen weiter: die Angst vor der sozialen Isolation. Eine solche bedeutete für unsere steinzeitlichen Vorfahren den Tod. Diese Urangst lebt auch heute noch in uns fort und kann einer Selbstgleichschaltung der Menschen dienlich sein. Die In-Group ist dabei jene Gruppe, der man zugehört und zugehörig sein muss, weil man von ihr abhängig ist. In modernen Gesellschaften bilden der gesellschaftlich akzeptierte Konsens und das soziale Umfeld die In-Group. Die In-Group versorgt einen mit einem Arbeitsplatz, mit Nahrung, Geld und gesellschaftlicher Anerkennung. Sie wird geformt von der Familie, den Freunden, den Kollegen und dem Vorgesetzten. Unter normalen Bedingungen bedarf es nicht mehr als der Verankerung allgemein akzeptierter Zustände und Verhaltensweisen, um die In-Group zu definieren. Doch Sie leben nicht länger in normalen Zeiten.

Schaffen Sie also ein besonderes Merkmal, welches die Zugehörigkeit zu dieser In-Group bestimmt. Sei es die deutsche Abstammung, die Zugehörigkeit zu einer kreierten Nationalität oder einfach die „folgsame Mehrheit“. Wenn Ihre In-Group für sich beanspruchen kann, gegen das Virus geimpft zu sein, erfüllt das denselben Zweck. Wählen Sie beliebige Merkmale aus, anhand derer Sie die In-Group definieren. Es ist nur wichtig, dass Sie selbst ein bedeutendes Mitglied dieser In-Group sind und dass sämtliche Mitglieder der In-Group Ihren Anordnungen, Gesetzen und Befehlen Folge leisten.

Schaffen Sie auch ein sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit. Seien es Symbole, die man gut sichtbar trägt, bestimmte Verhaltensweisen, wie zum Beispiel ein bestimmter Gruß, oder einfach die Pflicht zum Tragen eines bestimmten Kleidungsstückes.

Auch ein Dokument zum Nachweis Ihrer Zugehörigkeit eignet sich. Wie wäre es beispielsweise mit der Bestätigung, einer bestimmten, überlegenen Volksgruppe oder Rasse anzugehören? Oder was halten Sie von einem Impfnachweis, ohne den die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wird?

Sie erkennen Ihre In-Group an der bedingungslosen Zurschaustellung dieses Zeichens. Dadurch schaffen Sie ein Gefühl der Einheit, der inneren Verbundenheit, welches die Menschen hinter Ihnen vereint. Sie geben den Menschen damit eine Identifikationseinheit und das Gefühl der Zugehörigkeit, ein Gefühl, nach dem sie sich unterbewusst immer sehnen. Betiteln Sie Ihre In-Group mit Schlagworten, die allgemein als positiv wahrgenommen werden. Zu empfehlen sind Begriffe wie „solidarisch“ oder „vernünftig“.

Heben Sie dabei immer wieder hervor, dass Sie alleine im Besitz der absoluten Wahrheit sind. Folglich sind auch die Mitglieder der In-Group Teilhaber dieser absoluten Wahrheit. Zur In-Group zu gehören, wird somit attraktiv, denn jeder möchte das Richtige tun und auf der Seite der Wahrheit stehen. Dabei helfen Ihnen auch Ihre Handlanger. Erklären Sie diese öffentlich zu „Experten“, denn das Vertrauen in zu Experten erklärten Menschen ist allgemein sehr hoch. Die Experten werden im weiteren Verlauf zu wichtigen Stichwortgebern Ihres Handelns und zudem zu seriös wirkenden Gesichtern der In-Group.

Doch wie hilft Ihnen dies mit Ihrem Problem des Widerspruchs und Widerstandes?

Schritt 6: Kreieren Sie eine Out-Group

Die Out-Group ist das Gegenteil der In-Group. Das sind alle Menschen, die nicht dazugehören, in Ihrem Fall also all jene, die anderer Meinung sind, die sich Ihnen widersetzen und Ihnen widersprechen. Die Out-Group macht sich selbst kenntlich durch die Verweigerung der Symbolik, die Sie der In-Group aufoktroyiert haben. Sie kennzeichnet sich weiterhin durch abweichende Meinungen und andere politische Ansichten. Seien es Kommunisten, Sozialdemokraten, Anarchisten oder einfach all jene, die sich Ihren Anordnungen widersetzen. Definieren Sie jeden, der Ihnen nicht in den Kram passt, in diese Out-Group hinein. Dabei erfüllt die Out-Group zwei wichtige Funktionen:

Zum einen schafft sie ein weiteres Identifikationsmerkmal für die In-Group. Sie bietet die Möglichkeit zur Distanzierung und somit zur Abgrenzung der In-Group gegen die Out-Group. Denn Gruppen bestehen nur in Abgrenzung zu anderen Gruppen. Diese Abgrenzung ist bedeutend für die Existenz der In-Group und damit für das Zugehörigkeitsgefühl Ihrer Untertanen.

Zum anderen können Sie ganz handlich jeden Abweichler dieser Out-Group zuweisen und damit unzählige Menschen unter einem einzigen Schlagwort vereinheitlichen. Auch stellen Sie damit klar, dass jeder, der eine andere Meinung vertritt, nicht zur In-Group gehören kann. Er ist daher draußen. Das kann bedeutende Konsequenzen für das persönliche Leben haben. Sei es der Verlust der Arbeitsstelle, des sozialen Ansehens, des Rückhaltes der Familie oder die Zerstörung von Freundschaften. All dies kann die Folge davon sein, der Out-Group anzugehören. Die Out-Group ist damit zugleich eine Warnung an jeden, der sich noch innerhalb der In-Group aufhält, aber an ihr zu zweifeln beginnt. Damit spielen Sie wieder mit den Urängsten vor dem Tod und der sozialen Isolation. Ängste eignen sich, wie Sie sehen, sehr gut zur Ausübung von Herrschaft.

Dies führt zu einer Selbstgleichschaltung in der Gesellschaft. Die Gefahr, zur Out-Group gezählt zu werden, wird verhüten, dass die Menschen der In-Group sich mit den Argumenten der Out-Group auseinandersetzen, deren Mitgliedern Beistand leisten oder auch nur den Ansatz von Sympathie für sie hegen.

Die geschürte Angst, nicht dazuzugehören, wird jedes Mitglied der In-Group aggressiv auf jedes Wort eines Mitglieds der Out-Group reagieren lassen. Das kann so weit führen, dass die normalen Menschen der In-Group für die Durchsetzung Ihrer Befehle und Anordnungen sorgen oder jene denunzieren, die sich nicht sklavisch an Ihre neuen Anordnungen und Gesetze halten, nur um ihre Zugehörigkeit zur In-Group unter Beweis zu stellen. Auf diese Weise sparen Sie sich den teuren Polizeistaat. Das soziale Umfeld sanktioniert viel effizienter, als jede Schutzstaffel es jemals könnte. Herzlichen Glückwunsch, Ihre Diktatur nimmt nun faschistische Züge an.

Da Ihre In-Group im Besitz der absoluten Wahrheit ist, muss die Out-Group zwangsweise lügen, betrügen und manipulieren. Lassen Sie sich dabei durch so etwas wie Fakten nicht beirren: Die Wahrheit hat derjenige gepachtet, der die Definitionsmacht hat und seine Wahrheit medial verbreiten kann. Fakten spielen für Sie keine Rolle mehr.

Übrigens muss die Out-Group nicht wirklich eine zusammenhängende Gruppe sein. Es genügt schon, dass sie so erscheint oder von Ihnen so bezeichnet wird.

Schritt 7: Diffamieren Sie die Out-Group

Es bietet sich an, einheitliche Begriffe für jeden zu verwenden, der nicht strikten Gehorsam übt oder der von Ihnen erschaffenen Bedrohung keinen Glauben schenken will. Dies sollten Begriffe sein, die gemeinhin negativ assoziiert werden. „Parasit“ bietet sich hier genau so sehr an wie „Esoteriker“, „Antisemit“ oder „Verschwörungstheoretiker“. Diese Begriffe müssen keine tiefere Bedeutung haben oder einheitlich genutzt werden. Es genügt bereits, dass sie einen negativen Beigeschmack haben und inflationäre Verwendung finden.

Überziehen Sie die Out-Group mit solcherlei Diffamationen. Sparen Sie dabei nicht damit; je öfter Sie sie verwenden, desto besser. Denn die Botschaft lebt von der Wiederholung. Ihr gut geölter Medienapparat müsste mittlerweile auf Hochtouren laufen. Bedienen Sie sich seiner, um die Out-Group immer wieder mit diesen Begriffen zu bewerfen. Nehmen Sie sich dabei bekanntere Persönlichkeiten der Out-Group heraus, erklären Sie sie zu Vordenkern oder Anführern der Out-Group und überziehen Sie sie mit einer besonders schmutzigen Kampagne des Rufmordes. Ob den von Ihnen gewählten Personen wirklich diese Bedeutung zukommt, ist vollkommen nebensächlich.

Betonen Sie dabei, dass kein vernünftiger Mensch den Worten der Out-Group Glauben schenken würde. Deuten Sie an, dass sämtliche Menschen, welche dieselben Ansichten wie die bekannteren Gesichter der Out-Group vertreten, potenziell krank sind oder zumindest ziemlich orientierungslos, jedenfalls nicht ernst zu nehmen. Schlimmer noch: Die Out-Group stellt eine Gefahr dar. Stellen Sie die Out-Group der ursprünglichen Bedrohung gleich. Erklären Sie ihre Anhänger zu Mördern, Verrätern, Kinderfressern, Brunnenvergiftern oder was Ihnen noch so einfällt. Ab jetzt spielt die ursprünglich von Ihnen gewählte Bedrohung absolut keine Rolle mehr. Die neue Bedrohung ist nun einzig und allein die Out-Group. Ihre Meinungen, Aussagen und Taten sind nun eine größere Gefahr für Sicherheit und Ordnung als die ursprüngliche Bedrohung.

Bewährt hat sich auch die Inszenierung angeblicher „Aussteiger“ aus der Out-Group. Rücken Sie die Geschichte dieser Personen mit herzzerreißender Musik, Verfremdung der Stimmen und Unkenntlichmachung der Gesichter ins Licht. Dem Zuschauer wird klar: Dieser Mensch hat Angst vor Verfolgung durch die Out-Group.

Sparen Sie auch nicht mit Entmenschlichungen. Nehmen Sie die Gesichter der Out-Group immer wieder ins mediale Feuer. Nach kurzer Zeit ist in der Mehrheit der Bevölkerung die Akzeptanz für eine härtere Gangart gegen die Out-Group vorhanden.

Das ermöglicht Ihnen Schritte bis hin zur Vernichtung der Out-Group. Sollten Sie so weit gehen, ist es jedoch wichtig, dass die Out-Group nie vollständig aus der Gesellschaft verschwinden darf. Denn vergessen Sie nicht: Die In-Group kann nur in Abgrenzung zur Out-Group existieren. Erfinden Sie daher zur Not ständig neue Out-Groups. Wenn es diese nicht wirklich gibt, schadet das überhaupt nicht. Wichtig ist, dass die Menschen glauben, dass es sie gibt.

Es haben sich bedeutende Persönlichkeiten der Wissenschaft oder des öffentlichen Lebens zur Out-Group bekannt? Macht nichts. Ungeachtet ihrer Verdienste, Fähigkeiten und Talente sind sie ab heute kein Teil der Gesellschaft mehr, genauso wie der Rest der Out-Group. Sie können daher genauso zu Spinnern, Verirrten und Gefährdern erklärt werden.

Schritt 8: Feiern Sie Erfolge

Ihre Maßnahmen zeigen Erfolg! Zumindest verkünden Sie das lautstark. Wenn von Anfang an keine Bedrohung bestanden hat, so ist es sogar sehr leicht, Erfolge zu verkünden. Denn natürlich ist das Ausbleiben schlimmerer Folgen einzig und allein Ihrem entschlossenen Handeln zu verdanken. Der kommunistische Aufstand bleibt aus? Natürlich nur, weil Sie so effektiv alle Kommunisten verfolgen lassen. Die Pandemie entwickelt sich nicht so schlimm wie befürchtet? Das ist einzig und allein Ihren wirkungsvollen Maßnahmen zu verdanken.

Heben Sie daher einen Teil der Notstandsmaßnahmen auf, ohne jedoch den Notstand zu beenden. So nehmen Sie Kritikern den Wind aus den Segeln, indem Sie ihre Befürchtungen scheinbar ins Leere laufen lassen. Machen Sie aber niemals alle Maßnahmen rückgängig. Denn so besteht die Gefahr, dass die Menschen sich wieder an die alte Normalität gewöhnen. Das darf unter keinen Umständen passieren. Vielmehr muss eine Gewöhnung an die neue Normalität eintreten. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und kann sich an jede Veränderung anpassen und gewöhnen.

Geben Sie auch zu, dass einige der von ihnen gewählten Maßnahmen vielleicht zu drastisch waren, aber aus der Situation heraus sinnvoll erschienen sind. Versichern Sie, dass sie sich nicht wiederholen werden. Das müssen sie auch nicht, denn Sie werden andere Maßnahmen beschließen. Mahnen Sie aber immer wieder eindringlich zu andauerndem striktem Gehorsam, denn ansonsten kann die Bedrohung zurückkehren.

Schritt 9: Verschärfen Sie die Maßnahmen

Es ist geschehen, die Bedrohung ist zurückgekehrt. Machen Sie dafür den Ungehorsam der Out-Group verantwortlich und gehen Sie zu einer Verschärfung des Ausnahmezustands über. Da sich die Out-Group selbstgerecht über Ihre Anordnungen hinwegsetzt, ist es nun an der Zeit, den von Ihnen erklärten und genutzten Ausnahmezustand zu intensivieren. Verschärfen Sie also Gesetze. Höhlen Sie dabei die nervigen Reste einer etwaigen Verfassung aus und entkernen Sie diese vollständig. Wenn Ihnen die Out-Group nicht genügend Anlass für eine Verschärfung gibt, können Sie ein Fehlverhalten der Out-Group auch selbst inszenieren. Sie haben nicht umsonst Geheimdienste und einen einseitig berichtenden Medienapparat.

Betonen Sie dabei immer wieder, wie sehr Ihnen Demokratie am Herzen liege und wie wichtig es sei, diese gegen die Out-Group zu verteidigen. Stellen Sie die Out-Group als Gefahr für das politische und gesellschaftliche System dar, und sich selbst als dessen Retter. Denn nicht Sie sind der Diktator, sondern die Out-Group. Handeln Sie dabei jedoch stets genau gegenteilig und entwerten Sie alles vollkommen, was einmal zu Demokratie verklärt wurde. Dass dies mit Ihren Worten nicht übereinstimmt, wird niemanden stören, denn Worte sprechen bekanntlich lauter als Taten. Ihre Worte zumindest.

Hier können Sie nun auch damit beginnen, Mitglieder der Out-Group zu verfolgen. Haben Sie zuvor noch auf Rufmord und Medienkampagnen gesetzt, um unliebsame Meinungen zu unterdrücken, so können Sie nun Gewalt anwenden, wenn die vorher verwendeten Methoden nicht genügen, um die abweichenden Stimmen zum Schweigen zu bringen. Zensieren Sie ganz offen die Medien, derer sich die Abweichler bedienen. Auch kritische Kunst und Literatur darf nicht länger akzeptiert werden – sie ist von nun an „entartet“. Hier eignet sich auch eine kollektiv inszenierte Vernichtung dieser Werke gut. Haben Sie nicht schon immer von Ihrer eigenen Bücherverbrennung geträumt?

Lassen Sie die Mitglieder der Out-Group durch polizeiliche Maßnahmen schikanieren, von Geheimdiensten überwachen oder sperren Sie sie einfach gleich ein. Wenn Sie wollen, schrecken Sie auch vor gezielten Tötungen nicht zurück. Dabei können Sie zunächst als Warnung Unfälle inszenieren. Die Botschaft wird von der Out-Group verstanden, während die In-Group jeder Ihrer Erklärungen Glauben schenken wird. Denn vergessen Sie nicht: Sie sind im Besitz der absoluten Wahrheit.

Wenn einzelne Todesfälle die Mehrheit der Out-Group nicht zum Schweigen bringen, dann können Sie die Out-Group auch isolieren. Sperren Sie ihre Mitglieder in Gefängnisse oder errichten Sie Lager eigens zur Isolierung. Schrecken Sie auch vor massenhaften Tötungen nicht zurück. Die Bedrohung wird schließlich immer größer.

Schritt 10: Das große Restefressen

Nun, da Angst, Propaganda und sozialer Anpassungsdruck den größten Teil der Bevölkerung hinter Ihnen vereint haben und dieser damit beschäftigt ist, die Mitglieder der Out-Group zu denunzieren und zu bekämpfen, die wiederum keine Möglichkeit mehr hat, sich Ihnen in den Weg zu stellen, wird es keinen nennenswerten Widerstand mehr geben, während Sie nun die Reste des vorherigen Gesellschaftssystems auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen oder zu Ihren Gunsten umgestalten. Polizeistaat? Führerstaat? Verwaltungsdiktatur? Reichtumskonzentration bei Ihnen? Die totale Zentrierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens auf Sie, im Wege einer feudalen Ordnung? Alle Macht in Ihren Händen? Gar kein Problem. Wie schon die Römer wussten: Divide et impera.

Sie haben geteilt — und nun herrschen Sie.

Der Gehorsam Ihnen gegenüber ist groß genug, der Verwaltungsapparat erfüllt seinen Zweck, und um die versprengten Reste der Abweichler kümmern sich der Polizeiapparat und Ihre folgsamen Anhänger im Gleichschritt. Verfügen Sie nun nach Belieben. Sie sind am Ziel Ihrer Träume angelangt und können Ihre Ideologie vollends entfalten, Ihr eigentliches Anliegen vollständig durchführen. Glückwunsch, Sie haben es geschafft!

Machen Sie sich keine Sorgen, dass die von Ihnen gewählten Maßnahmen zu drastisch sein könnten: Im Zeitpunkt der Umsetzung folgt die Mehrheit Ihnen bedingungslos und heißt sie gut, und hinterher will wieder niemand von irgendetwas gewusst haben.

Nahezu unveränderter Repost des Artikels von Felix Feistel im Rubikon 8. 9.2020
vom gleichen Autor: Machen wir es selbst!

Referenzen:
Desmet: Mass Formation

15.9.2023