Der Krieg in den Köpfen, die kleinen und großen Kriege der Gegenwart und der Vergangenheit
Von Simone Walter
In den Trümmern eines Stadtviertels streift eine Bande Jugendlicher herum. In den Auslagen geborstener Schaufensterscheiben sammeln sie ein, was ihnen interessant erscheint.
Aus dem Hintergrund des Ladens steigt ihnen ein junger Mann entgegen. „Heyhey!“ ruft er drohend. Es ist der Sohn des Besitzers. Seit Jahren hatte es Stress und Rivalitäten zwischen ihm, seinen Freunden und diesen Kanaken gegeben. Jetzt lag alles in Schutt und Asche. Und die Geier bedienten sich… Er stellt sich dem Bandenführer entgegen. Sein Kopf ist verbunden, aus dem Ohr sickert Blut. Er hebt die Faust, ihre Blicke kreuzen sich. Immer war es um Machtgerangel gegangen, um Territorien und Ehrgefühle. Jetzt hatte der Staub der Geschichte das Territorium begraben. Lag darunter noch eine Zukunft? Und wenn ja, welche? – Sie schauen sich in die Augen. Darin glimmt eine Unbeugsamkeit, ein Wille nach Leben. Leben, das fordert, gesehen zu werden. Ein Aufblitzen, kaum wahrnehmbar. Etwas verwandelt sich. Es ist ein plötzliches Erkennen. Das Erkennen im anderen. Der Mann mit dem Verband lässt die Faust sinken. Dann hebt er sie wieder, langsam, öffnet die Finger und erfasst die ihm entgegentastende Hand seines Gegenübers. Seine Stimme ist rau, aber klar. „Der Krieg ist vorbei, Bruder.“
Sechs Geschichten mit der Botschaft: „Der Krieg ist vorbei“ auf Wiwendi.
10.10.2023